OETTINGEN/Schwaben

Gründung: 1850 – Fläche: 2420 qm

In der Mühlstraße, am Ortsrand von Oettingen, unweit des Schlosses derer von Oettingen-Spielberg, liegt der Beth Olam der einstigen jüdischen Gemeinde. Die große ca. zwei Meter hohe Einfriedungsmauer wird durch zwei Eingangstore unterbrochen. Ein kleines Türchen führt zum gleich an der Straße liegenden und heute vom Friedhofspfleger bewohnten Taharahaus, während das große mit zwei Davidsternen verzierte Eisentor zu einem Drahtzaun am Tor führt, der heute das Haus vom übrigen Friedhof abtrennt.

Am Taharahaus ist neben einer mit einem Segensspruch (der beim Betreten des Friedhofs im Anschluß der Schloschim – Trauermonat – gesagt wird) auch eine Tafel mit dem Erbauungsdatum eingelassen: Erbauet im Jahre d.W. 5611 (………..) 1850 (G’ttesfurcht wird die Tage verlängern). Die Punkte über dem Wort (…..) ergeben die Jahreszahl 611. Hinter dem bereits erwähnten Drahtzaun befindet sich ein L-förmig angelegtes Gräberfeld mit ca. 328 Gräbern. Nach einer groben Schätzung dürften ungefähr 10% der deutschen Inschriften (nach Westen gerichtet) und 30% der hebräischen Inschriften (nach Osten gerichtet) unleserlich sein.

Bei einigen Mazzewot ist der Schaden bereits so groß, dass weder die hebräische noch die deutsche Beschriftung zu erkennen sind. Lange bevor dieser Gute Ort angelegt wurde, waren Juden in Oettingen ansässig. Bereits 1298 litten sie unter dem Schrecken des Röttinger „Edelmannes“ Rindfleisch, dem Anführer von blutigen Judenverfolgungen. Über 140 zerstörte jüdische Gemeinden mit mehr als 100.000 Opfer hinterließ dessen blutige Spur.1) Anfang des 14. Jahrhunderts ließen sich erneut Juden in Oettingen nieder. In den Jahren 1331 und 33 stellte König Ludwig der Bayer einen Schutzbrief aus („servi camerae“) und überließ die dortigen Juden den vor Ort ansässigen gräflichen Brüdern. Diese jüdische Gemeinde wurde 1348 vernichtet, diesmal vom schwarzen Tod, der Pest. Erneut kamen um 1427 Juden nach Oettingen. Ihre Verstorbenen wurden zu dieser Zeit in Nördlingen zur letzten Ruhe gebracht. Während des 30jährigen Krieges (1618-48) kamen Juden aus der ganzen Umgebung nach Oettingen, um unter dem Schutz der dortigen Grafschaft zu leben. Hierfür mussten sie selbstverständlich eine Steuer entrichten.

Friedhof Oettingen

Tafel am Tharahaus

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Oettingen die Hauptstadt der zwei Grafschaften Oettingen-Spielberg und Oettingen-Oettingen. Dementsprechend gab es auch zwei jüdische Gemeinden mit je einem eigenen Bizirksrabbinat. Erst im Jahre 1731, nachdem das Haus Oettingen-Oettingen aufhörte zu existieren, vereinigten sich die Juden zu einer Gemeinde. Zu dieser Zeit waren oftmals jüdische Hoffaktoren (Persönlichkeiten, die zu den maßgebenden wirtschafts- und finanzpolitischen Beratern der Höfe gehörten) zu Gemeindevorstehern gemacht.
Hervorzuheben sind hier die Familie Model, David Oppenheim und Hirsch Neumark, der 1699 zum Oberparnass (Verwalter) ernannt wurde. 2) Der berühmteste Rabbi von Oettingen war Ascher Loew, der spätere Rabbiner von Metz, der einen Antrag von Moses Mendelssohn ablehnte, Verstorbene erst nach drei Tagen zu beerdigen (in Anlehnung staatlicher Vorschriften).3) Eine vergleichbar berühmte Persönlichkeit seiner Zeit war Ende des 18. Jahrhunderts Rabbi Jakov ben Pinchas Katzenellenbogen, der Verfasser des Buches „Jakovs Erlösungen“.4) Während der Amtszeit des letzten Rabbiners von Oettingen, Meir Feuchtwang, wurde der Gute Ort angelegt und 1853 eine neue Synagoge errichtet. Desweiteren verfügte die Kehille über eine Schule, die bis 1928 unter der Führung von Lehrer Leopold Gutmann stand, eine Chewra Kaddischa für Männer und (ab 1900) für Frauen sowie verschiedene Wohltätigkeitsvereine. Über das Verbleiben des reichen Gemeindearchivs und der Bibliothek ist nichts bekannt. Diese so wertvollen Dinge verschwanden währen des Novemberpogroms 1938.

1) Jüdisches Lexikon – Jüdischer Verlag bei athenäum
2/3/4) Museum of the Jewish Diaspora