WILHERMSDORF/Mittelfranken

Gründung: 1452 – Fläche: 3950 qm

Auf ca. halber Strecke zwischen Fürth und Neustadt an der Aisch befindet sich die heute 4000 Einwohner zählende Gemeinde Wilhermsdorf. Der auf einer kleinen Anhöhe nordwestlich vom Ort, auf der Straße nach Siedelbach gelegene jüdische Friedhof zeugt von der einstigen jüdischen Gemeinde des Ortes. Die Fläche des Guten Ortes ähnelt dem Buchstaben V. An der östlichen Seite, dem schmalsten Punkt des Geländes befindet sich ein zweiflügeliges hölzernes Eingangstor. Ein weiteres kleines Türchen befindet sich an der Nordwestseite des mit vielen Bäumen bewachsenen Beth Olam. Hinter einer, teilweise mit Efeu behangenen, stufenförmigen Backsteinmauer befinden sich ungefähr 500 Mazzewot, von teilweise beachtlicher Größe.

Sie sind aus wenig widerstandsfähigem Sandstein und daher bereits vielfach verwittert. Der erste Eintrag des vom Fürther Distriktrabbiners Dr. Loewi sel.A. geführten Sterberegisters der israelitischen Kultusgemeinde Wilhermsdorf lautet: Abraham Michael Wiener, gestorben am 3. 1. 1824. Die Lewaija war am 4. 1. 1824. Juden waren jedoch bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Ort und verfügten über eine Synagoge und Friedhof. Die Kehille unterstand dem Rabbanut Regensburg. Der älteste vorhandene Grabstein stammt aus dem Jahre 1690, bis zum Jahre 1842 war (wie beschrieben) noch ein Mazzewa vorhanden, der die Jahreszahl (……) (5212=1452) trug. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlangte die jüdische Gemeinde einen großen Bekanntheitsgrad wegen den dort arbeitenden Druckhäusern. 1669 erhielt der bekannte Drucker aus Prag, Reb Izchak Hakohen Jüdels, die Genehmigung, in Wilhermsdorf ein Druckhaus zu betreiben.

Das erste von ihm herausgegebene Buch war im darauffolgenden Jahr „Schechitot uwedikot“ von (…………….), Jakob ben Juda Weil, einem bekannten Talmudgelehrten. Sein Buch fand als Lehrbuch des rituellen Schächtens weite Verbreitung. Bis 1690 wurden von dem Drucker noch weitere 33 Bücher herausgegeben, hauptsächlich Tora mit Auslegungen, Midraschim, rabbinische Lektüre und Sidurim. 1712 eröffnete Reb Zwi Hirsch bin Chaim ein weiteres Druckhaus. Bis zur Schließung dieses Hauses im Jahre 1739 wurden von ihm 115 Bücher herausgegeben. Auch hier waren die vorrangigen Themen die Tora mit Auslegung, Talmud, Halachabücher, Machsorim und anderes.

Bevor sich die Kehille eine Synagoge baute (wahrscheinlich im Jahre 1727) betete man in einem Privathaus. Der Beth Olam der Kehille wurde auch von den jüdischen Nachbargemeinden Markt Erlbach und Dietenhofen belegt. Beide Kultusgemeinden unterhielten Synagogen und einen Lehrer.1) Bald war eine Erweiterung des Friedhofs nötig. Deshalb wandte sich der Vorstand der Kehille mit der Bitte um die Abtretung eines Streifen Bodens an den Gemeinderat von Wilhermsdorf. In Erwägung, dass das fragliche Stückchen Gemeindeland gar keinen Nutzen abwirft“, beschloß dieser am 15. Dezember 1863, „der jüdischen Kultusgemeinde das fragliche Land ganz frei resp. ohne alles Gegenreichniß zu überlassen“. Die Vergrößerung erfolgte schließlich im Jahr 1865.2) Die Kehille entwickelte sich stetig weiter und erreichte Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt.

Der Gute Ort in Wilhermsdorf

Die jüdischen Bürger Wilhermsdorfs hatten auch großen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung des ganzen Ortes. So gründeten z.B. die Kehillemitglieder Michelsohn und Keiner im Jahre 1881 die erste Pinselfabrik am Ort, die sich aus bescheidenen Anfängen zum größten Arbeitgeber dort entwickelte und zeitweise mehr als einhundert Menschen beschäftigte. Auch in der Kommunalpolitik waren Mitglieder der Gemeinde aktiv. So wurden am Ende des Jahrhunderts Jakob Neuburger und Moritz Spalter sel.A. in den Gemeinderat gewählt.3) Im Frühjahr 1893 wurde die alte Synagoge abgebrochen und von den Baumeistern Reichel, Streng und Kiesel eine neue Synagoge erbaut. Zur Ausstattung der Synagoge gehörten zahlreiche Gegenstände aus früherer Zeit wie Torawimpel, Toravorhang aus dem Jahre 1789 und Leuchter.4) Der Chuppastein der alten Synagoge (versehen mit der Jahreszahl (……..) = 1736) fand auch in der neuen seine Verwendung. Neben der Synagoge wurde ein Schulhaus errichtet, indem der Lehrer auch seine Wohnung hatte. Der Lehrer war zugleich als Vorbeter und Schochet tätig. Am längsten hatte der 1843 in Steinach an der Saale geborene Baruch Frei sel.A. die Stelle als Lehrer in Wilhermsdorf. Er unterrichtete 36 Jahre in der Kehille. Er starb 1907 und wurde auf dem dortigen Beth Olam beerdigt.5) Desweiteren waren in der Gemeinde noch etliche soziale Einrichtungen tätig, wie : Chewra Kaddischa (seit 1862), Unterstützungs-Verein für arme jüdische Durchreisende oder ein Krankenunterstützungsverein.6) Anfang der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts waren noch 35 Juden in Wilhermsdorf ansässig.

Im Januar 1936 wurde der Viehhändler Gotlieb wegen Beleidigung eines Ortspolizisten für zwei Wochen in Haft behalten. Er verstarb 70jährig am 5. 4. 1936. Seine Lewaija am 8. 4. 1936 war zugleich der letzte Eintrag im Sterberegister der ehemaligen israelitischen Gemeinde zu Wilhermsdorf.

1-6) Ortschronik Markt Wilhermsdorf